Normal, supernormal, new normal.

Normal

Wir leben in einer Zeit der größten Individualisierung. Das Ego steht über allem. Das wird sogar bei vordergründig gemeinnützigen Diskussionen deutlich. So kann man vielen Forderungen nach Teilhabe und Gleichstellung eine recht oberflächliche Wohltätigkeit unterstellen. Da wird munter um Interessen gedealt und gerungen. Am Ende möchten sich alle nur ihren eigenen Egotrip ermöglichen. Alle möchte den Freiraum, ihre persönlichen Besonderheiten auszuleben. Es ist quasi normal, dass wir abnormal sind. Woher kommt dann dieses »Normal«?

Normalität ≠ Naturgesetz

Mark Twain wird der Satz zugeschrieben: »Wir schätzen Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen – vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir.« Bestätigung. Als sozial eingebundenes Wesen brauchen wir eine Gruppe, die uns beipflichtet. Wir wollen die sein, die recht haben. Aber am Ende ist dann doch alles sehr subjektiv. Denn normal ist, was wir als solches definieren. Normalität ist menschengemacht, kein Naturgesetz.

Ist darum in unserer Gesellschaft sozial gleich normal? Joseph Beuys hat in den 1970ern mehr Übernahme sozialer Verantwortung durch die Kreativen gefordert. Gleichzeitig stellt er fest, dass »jeder Mensch ein Künstler sei« und darum einen Beitrag an der Gestaltung der Gesellschaftsordnung leistet. Heute diskutieren wir sehr intensiv, wie wir die Normalität zurückgewinnen oder ein »Neues Normal« aussieht. Aber noch liegt vieles im Schatten einer möglichen Zukunft, die es zu entwickeln gilt.

Infografik: Vereinfachte schematische Darstellung eines Lithium-Atoms.
Monoblock Chair am Strand
Die aus einem Guss gefertigten, stapelbaren Kunststoffstühle sind geradezu typisch für supernormale Gestaltung.

Können Gestaltung und Kommunikation normal sein?

Ein Konzept ist das des britischen Designers Jasper Morrison. Er definierte den Begriff supernormal. Viele uns lieb gewordene Alltagsgegenstände sind unauffällig gestaltet. Sie sind pragmatisch und nützlich, ihre Formgebung wirkt uns vertraut. Gestalter*innen legen seiner Meinung nach oft zu viel Wert darauf, wie Dinge aussehen. Setzen sie mit zu viel Absicht in Szene. Unauffällige Designs übertreffen ihre »trendigen« Gegenstücke bei der langfristigen Nutzung. Sie sind also nachhaltiger.

Gezeigt hat Morrison das in seiner Ausstellung »Super Normal«. Hier zeigte er in einem komplett weißen Raum bekannte Alltagsgegenstände. Beispielsweise den typischen achteckigen Mokkakocher oder ein Kunststoffsalatsieb. Viele dieser Gegenstände sind durch ihre Form prototypische Ikonen für ihren Anwendungsbereich geworden. Wir benutzen diese Gegenstände mit instinktiver oder sogar unbewusster Selbstverständlichkeit. Diese Gewöhnung macht sie für uns supernormal.

Insbesondere bei Funktion scheint eine Orientierung an Gewohntem und Gelerntem sinnvoll. Führt sie doch oft zum intuitiven Verständnis. Am Ende bleibt Normalität wohl der kleinste gemeinsame Nenner unserer Gesellschaft.

Die klassische Position des Logos in der linken oberen Ecke einer Website wird von den meisten Usern als Link zur Homepage verstanden.

Wer sich noch tiefer mit Normalität aus­ein­ander­setzen möchte, kann dies mit die­sen beiden Büchern tun. Wir em­pfehlen den Kauf bei einem lo­kalen Buch­händler in Ihrer Nähe.

Super Normal: Sensations of the Ordinary
von Naoto Fukasawa und Jasper Morrison

ISBN 978-3037781067
Lars Müller Publishers, Baden

Weil Design die Welt verändert … Texte zur Gestaltung
herausgegeben von Friedrich von Borries und Jesko Fezer

ISBN 978-3899554755
Gestalten Verlag, Berlin

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