Christoph Wasmer, Head of Digital Technologies, sein Bereich umfasst unter anderem: Entwicklung, E-Commerce, UI, Netzinfrastruktur und Apps.

Nutzerzentriertes Design

Kopf oder Zahl? Die beiden Seiten der digitalen Medaille

Eine der komplex­esten Auf­gaben beim Ent­wickeln sind Schnitt­stellen. Infor­matio­nen zwischen zwei Sys­temen fehler- und verlust­frei aus­tauschen. Das klingt sehr einfach. Birgt aber großes Fehler­potenzial. Und dann ist da noch eine ganz heikle Schnitt­stelle. Die zwischen Mensch und Maschine.

Wer digitale Projekte entwickelt, kämpft auto­matisch an zwei Fronten.

Denn diese Medaille gibt es nur mit beiden Seiten. Ohne die jeweils andere wird das nichts. In diesem Spann­ungs­feld bewegen sich auch die ver­schie­denen Auf­gaben innerhalb einer Agentur. In diesem Netz­werk treffen Träumer auf Rationa­list­innen, Gefühls­menschen auf Logi­ker, Künstler­innen auf Kaufleute …

Wir haben uns schon öfters damit befasst, welchen Ein­fluss Bild- und Formen­sprache, Farben und Worte auf Nutzer:innen haben. Diesmal wollten wir uns einmal aus­führlich der tech­nischen Seite widmen. Mit Christoph Wasmer spreche ich über Techno­logie und ihre Rolle in der digi­talen Welt.

Digitale Gestal­tung geht über das Optische hinaus. Gut gestaltete Funk­tionen und Abläufe machen Web­sites, Apps und Soft­ware­lösungen ein­facher, schneller und praktischer. Das alles wird durch Technologie erst möglich.

Chris, ich kann mich noch an die Anfänge des Inter­nets erinnern. Da wurde man oft darauf hin­gewiesen, mit welcher Auf­lösung man eine Web­site betrachten soll. Das scheint eine ferne Zeit?
Ja, heute passen sich die Layouts ganz selbst­verständ­lich an das End­gerät an. Das Bei­spiel zeigt, wie Techno­logie dem Men­schen vor dem Bild­schirm immer mehr Auf­gaben ab­nimmt. Heut­zu­tage ist das jedoch viel subtiler.

Wo ist denn mensch­liches Ein­greifen über­haupt noch notwendig?
Streng genommen, gar nicht mehr. Aller­dings merken Benutzer:innen spätes­tens im Chat oder beim Tele­fonat, dass ein Bot am ande­ren Ende ist. Aber auch hier werden die Lösungen dank Deep Lear­ning immer »menschlicher«.

Was ist Deep Learning?
Deep Lear­ning ist eine künst­liche Intelli­genz. Sie simuliert auf Basis von künst­lichen neuro­nalen Netzen den mensch­lichen Lern­prozess. Das ermöglicht es Rechnern auch All­tags­probleme zu lösen, wie Gesichter oder Sprachen erkennen.

Hier zeigt sich der Unter­schied sehr deutlich. Für einen Rechner sind kom­plexe mathe­matische Pro­bleme eine Kleinig­keit. Mit dem intui­tiven mensch­lichen Ver­halten tut er sich schwer. Bei Menschen ist das gerade andersrum.

Digitalisierung hat zwei Seiten: Mensch und Technologie. Dafür braucht es nutzerzentriertes Denken und Entwickeln von Websites, Apps und Co.
Christoph Wasmer verantwortet bei K&D die digitalen technologischen Themen wie Entwicklung, E-Commerce, UI, Netzinfrastruktur und Apps.

Technologie

Wo ist technische Unter­stützung sinnvoll?
Alle lang­weil­igen und stand­ard­isierten Pro­zesse sollten so schnell es geht digi­tali­siert werden. Hier werden die Kapa­zitäten von Menschen meistens ver­schwendet. Auto­matisiert man diese Abläufe bleibt mehr Zeit, um sich auf die wich­tigen Themen zu fokussieren.

Was ver­steckt sich alles hinter dem Begriff Technologie?
Das Thema ist sehr, sehr breit. Es fängt bei der Infra­struk­tur an. Ich brauche erst ein­mal ein Eco­system: die Server und ihre Betriebs­systeme. Dann gibt es alles, was ent­wickelt werden kann von der Web­site bis zur Soft­ware. Dafür braucht man ent­sprech­ende Beschreib­ungs- und Pro­grammier­sprachen. Und dann sind da noch jede Menge Tools. Das reicht von Analysen über Bots bis zu um­fass­enden Marketing­tools wie Google Ads und Pixel.

Der Daten­schutz sorgt immer wieder für gewisse »Probleme«. Daten­schutz ist grund­sätzlich positiv, aber er macht vieles wieder kompli­zierter. Ich muss immer öfter meine Zu­stimmung er­teilen, damit es vor­wärts geht. Wie kann Tech­nologie diese Abläufe trotzdem mög­lichst einfach gestalten?
Viele Funk­tionen kann man aus Sicht des Daten­schutzes ele­ganter lösen. Das hat gleich zwei Vor­teile. Erstens sind dann weniger Zu­stimmungen erforder­lich und zweitens werden keine Daten erhoben, die gar nicht zwingend ge­braucht werden. Wenn ich nutzer­zentriert ent­wickle brauche ich aber Infor­mationen über meine Nutzer. Ganz ohne Daten­erhebung geht es des­halb nicht. Aber nehmen wir zum Beispiel die IP-Adresse. Die sagt gar nichts über das Nutzerverhalten aus. Es ist also immer die Ab­wägung, wieviel Nutzen eine Er­hebung rechtfertigt.

User Experience, nutzerzentriert

Technologie wird manchmal auch eingesetzt, damit Web­sites einfach nur dekorativer und dynami­scher erscheinen. Ist das sinnvoll?
Wer eine positive User Experience erzeugen will, muss viele Auf­gaben erfüllen. Neben Funktion und Infor­mation eben auch das Aus­lösen von Emo­tionen. Diese Rolle kann auch mal die Techno­logie über­nehmen. Das kann eine animierte Info­grafik sein, ein kleines Online­game oder einfach ein gut platzierter Überraschungseffekt.

Du hast gerade das Stich­wort User Experience genannt. Welchen Ein­fluss hat UX auf die Technologie?
Einen sehr großen. Wer eine UX bewusst gestaltet, stellt die Nutzer:innen in den Mittel­punkt seiner Arbeit. Die Inhalte und auch die Techno­logie werden immer mit Blick auf diese Ziel­gruppe konzipiert. Das ist eine grund­sätz­liche Haltung beim Gestalten und Ent­wickeln. Ich muss das Projekt zu­gäng­lich, auf­­findbar und nutz­­bar machen. Das sind die zen­tralen Auf­­gaben der Techno­­logie. Man darf dabei nur nicht ver­gessen, dass Nutzer:innen auch denken und fühlen. Hier ist Techno­­logie der Enabler für andere Disziplinen.

Je nachdem wo man die »Grenze« zieht, kann Techno­logie so verschiedene Aspekte der UX bedienen.

User Experience, ein positives Kundenerlebnis entsteht nur durch eine entsprechende Konzeption von Websites, Apps und Onlineshops.
Websites, Apps, Onlineshops und Onlinemarketing, immer stellt sich die Frage nach der richtigen User Experience.
UX Design soll einen positiven Eindruck beim Nutzer hinterlassen, ob im Onlineshops, auf Websites oder in Apps.

Du sprichst von Nutzer:innen nicht von Kunden?
Ja, das wird oft ver­gessen. Nutzer:innen sind nicht nur die Kunden. Auch Mit­arbeitende und Dienst­leister inner­halb eines Pro­zesses nutzen die Techno­logie. Bei der Analyse von Bedürf­nissen müssen alle diese Gruppen berück­sichtigt werden. Erst danach lassen sich die Anforde­rungen definieren und sinn­volle Technologien auswählen.

Manch­mal hakt der Prozess schon auf der ana­logen Seite im Unter­nehmen. Auch das findet eine gründliche Analyse heraus. Es ist wichtig User Experience ganz­heitlich zu be­greifen. Fehler werden wie bei einer Flüster­post weiter­skaliert. Eine Unter­brechung in der Kette, bringt meist den ganzen Prozess zum Erliegen.

In welchen neuen Techno­logien siehst du für Unter­nehmen und Marken das größte Potenzial?
PWA – soge­nannte Progressive Web Apps sind eine gute Möglich­keit schneller und ein­facher eine App zu ent­wickeln. Die Vor­gehens­weise ähnelt der bei einer Web­site. Diese wird dann in ein »Gehäuse« gepackt und ist für Anwender:innen von einer nativen App nicht zu unterscheiden.

WebGL – das ist eine Java-Techn­ologie, mit der grafische Objekte im Browser er­zeugt, be­trachtet und bear­beitet werden können. Das geht zwei- und drei­dimensional und kann z. B. für indi­viduell konfi­gurierbare Produkte genutzt werden.

Predictive Analytics – das gehört in den Bereich KI/Big Data. Der Algo­rithmus erkennt Muster im Nutzer­verhalten und kann so wahr­schein­liche nächste Schritte vor­aus­sehen. Zum Beispiel um Nutzer:innen Empfeh­lungen zum geben.

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